EM: Die Open Source PGP Community hat sich beschwert, dass seit der Übernahme von PGP durch Network Associates die Unterstützung durch Ihre Firma praktisch nicht mehr vorhanden ist.
Bill Larson: Dazu müsste ich
erst genau wissen, was diese Leute, die uns sehr wichtig sind, weil sie für
das nötige Problembewusstsein sorgen, brauchen. Nur, Network Associates
setzt fast eine Milliarde Dollar um, ich bin den Leuten schon etwas verpflichtet,
die viel Geld in NAI gesteckt haben. Vor unserem Kauf hatte PGP, mit
Wagnis-Kapital von 35 Millionen Dollar ausgestattet, gerade mal eine Million
Umsatz gemacht.
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EM: Wenn Sie schon den US-Geheimdiensten nicht verpflichtet sein wollen, dann wenigstens Microsoft, auf deren NT Ihre gesamte Produktlinie aufsetzt.
Bill Larson: Auch wenn alle unsere
Produkte auf Unix, Netware und NT laufen, sind wir zweifellos eine NT-zentrierte
Firma. Gerade weil ich fünfeinhalb Jahre für Sun gearbeitet habe,
setze ich jetzt lieber auf Bill als gegen ihn. Im Ernst: Das
Geschäftsmodell von Netwok Associates ist PC-orientiert, nämlich
"low price - high volume", während kommerzielles Unix genau das Gegenteil
darstellt: hoher Preis bei niedrigem Volumen. Wir glauben, dass eine Firma mehr Erfolg haben wird, die sich "upmarket" bewegt, als umgekehrt. Microsoft hat sich seinen Weg von Standalone-Maschinen über Netzwerke zu kompletten Systemlösungen hinaufgearbeitet. Diese Strategie verfolgen auch wir.
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EM: Gibt Ihnen der grosse Erfolg von Linux nicht zu denken?
Bill Larson: Mit den neuesten Versionen
wurden zweifellos grosse Fortschritte gemacht. Wir bekommen auch ziemlich
viele Anfragen von Netzwerktechnikern, die äusserst ungern
Lizenzgebühren an Microsoft bezahlen wollen. Unsere Webshield-Implementation
von Linux ist allerdings nicht gut angekommen. Das Problem bei Linux ist
immer noch die Peripherie, wie Netzwerkkarten, Linux ist kommerziell einfach
nicht so ausgehärtet wie Solaris oder eben NT. Wir werden den Erfolg von Linux so verfolgen, wie den des Macintosh. Wenn dessen Comeback tatsächlich erfolgreich ist, werden wir auch Macintosh Produkte anbieten. Das hat alles nichts mit Politik zu tun, sondern ist pure Ökonomie.
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Bleiben wir beim nackten Kapitalismus. Seit Ende 1997 ist Network Associates berüchtigt für seine aggressive Einkaufs- und Expansionspolitik. Sind Sie nach TIS, PGP, Dr Solomon's und all den anderen immer noch mit dem grossen Einkaufskorb unterwegs?
Bill Larson: Sie haben mir die
Kreditkarte kurzfristig weggenommen. Im Ernst: Momentan sind wir noch etwas
mit der Verdauung beschäftigt. Das Jahr 1998 war sozusagen die Neuerfindung
der Firma MCAfee Associates. Vor der Übernahme von Network General waren
wir eine nette, erfolgreiche Firma mit 350 Millionen Dollar Umsatz. Jetzt
decken wir zusammen mit Dr. Solomon's 70 % des Firmenmarkts in Antivirus-Software
ab. Wir haben die Möglichkeit genützt, die gesamte Palette der
Netzwerksicherheit anzubieten, jeweils nur mit Spitzenprodukten. PGP ist
einfach das beste Programm auf seinem Gebiet, wir haben ihm etwas von seiner
religiösen Aura genommen, dafür haben wir es stark verbessert.
Dasselbe geschah mit den Produkten von Trusted Information Systems. Gauntlett
ist die Firewall, die nicht nur von der gesamten Intelligence Community,
sondern auch von den grossen Netzbetreibern und Banken benützt wird.
Wir haben dieses ursprünglich reine Unix-Produkt auf NT portiert, verbessert
und mit den anderen Akquisitionen zu einem Paket gebündelt. Unser Cybercop
Intrusion Detector arbeitet in dieser Firwewall genauso wie Webshield. Natürlich haben wir sehr viel davon durch Übernahmen erreicht, die erste habe ich durchgezogen, als ich gerade zwei Monate CEO von McAfee war.
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Während NAI einen etwa gleich hohen Buchwert wie ihr Mitbewerber Security Dynamics (RSA) aufweist, liegt das Verhältnis von Aktienpreis zu den Einkünften bei der Konkurrenz um ein Drittel besser.
Bill Larson: Als ich vor fünf
Jahren bei McAfee anfing, hatte das Unternehmen einen Firmensitz, 40 Angestellte
und war in den Büchern 20 Millionen Dollar wert. Jetzt haben wir 972
Millionen Umsatz, 2700 Mitarbeiter in vierzig Orten. Allein 50 Mitarbeiter
sind durch ihre Aktienbeteiligungen Millionäre geworden. Der Umsatz
ist im letzten Jahr um 34 Prozent gewachsen, die Gewinnsteigerung um 48 Prozent.
Ich habe 22 Quartalsberichte in dieser Firma hinter mir und in jedem einzelnen
haben wir die Prognosen in Folge übertroffen. Sind wir zufrieden damit?
Natürlich nicht, wir wollen mehr.
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Gehen die Rekordgewinne an der Hightech-Börse NASDAQ immer weiter, oder ist jetzt endlich eine Korrektur angesagt?
Bill Larson: Die Börse hat
Internet-Werte in letzter Zeit weit höher bewertet als uns Netzwerker.
Wir setzen fast eine Millarde um bei 8 Milliarden Markt-Kapitalisation. Der
Umsatz von Yahoo liegt bei 200 Millionen, der Börsenwert ist aber 35
Milliarden. Sie können das altmodisch finden, aber mir geht es in erster
Linie darum, ein für lange Zeit profitables Unternehmen auf seinen Weg
zu bringen. Die Börse hat das bis jetzt nicht genügend honoriert.
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Als im Dezember die Aufregung mit der Entdeckung des "Remote Explorer" Virus im Netzwerk von MCI/Worldcom passierte, sind die NAI-Aktien ebenfalls senkrecht in die Höhe geschossen.
Bill Larson: Der Höhenflug hat
schon vorher begonnen, aber es stimmt schon. Der Remote Explorer ist ein
äusserst raffinierter Virus, vor allem seine Fähigkeit, sich von
selbst im Netz weiterzuverbreiten und wahllos exe.Programme zu
verschlüsseln. Dabei war er nicht einmal richtig bösartig programmiert,
der Virus hätte seine Administratorenrechte genausogut benützen
können, um alle Festplatten zu formatieren. Die Tatsache, dass er im
Netz des grössten Internet-Providers auftrat und da mehr symbolisch,
verstehen wir als politische Botschaft. Das wahrscheinlichste Information
Warfare Szenario der RAND Corporation sieht ganz ähnlich aus: Ein mit
wenig Aufwand vorgetragener Virusangriff auf die elektronische Infrastruktur
der USA. Die Intelligence Community weiss, dass sich allein drei befreundete
Staaten damit beschäftigen.
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Welche Staaten?
Bill Larson: Zwei aus der EU, einer
aus dem Nahen Osten. Das erschreckende ist, dass Virenattacken dem Terrorismus
mit biologischen oder chemischen Waffen strukturell gleichen. Einmal gestartet,
kann er überhaupt nicht mehr kontrolliert werden und trifft wahllos
und zufällig. Ein gängiges Szenario wäre ein Angriff auf moderne
Flugkontrollsysteme, die sehr leicht anzugreifen sind. Oder nehmen wir den
Geldverkehr, da häufen sich schon die längste Zeit Erpressungsversuche.
Erst wird eingebroche, hunderte Millionen Dollar werden auf andere Konten
geleitet um dann, sagen wir, eine Million zu erpressen. Banken neigen dazu,
darauf einzugehen, ohne es den Regierungsstellen zu melden, weil sie Angst
haben, dass es unter dem Freedom of Information Act öffentlich werden
könnte. Banken müssten davon ausgenommen werden, wie es das
zuständige Komitee dem Präsidenten auch neulich empfohlen hat.
Erst dann könnte die Regierung die dringend notwendige Rolle eines
Koordinators übernehmen, dem alle diese Fälle gemeldet werden.
Es ist unwahrscheinlich, dass die Industrie selbst eine solche konzertierte
Aktion zur Datensicherheit schafft.
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Wenn Sie sich für eine koordinierende Rolle des Staats aussprechen, müssten Sie auch für die EU-Direktive zum Schutz der Privatsphäre begrüssen, gegen die sich die US-Industrie so vehement wehrt.
Bill Larson: Einerseits ist mehr Datenschutz sehr begrüssenswert, aber als amerikanischer Geschäftsmann bin ich natürlich sehr gegen staatliche Vorschriften, wenn sie uns, wie diese Direktive, grosse operative Schwierigkeiten bescheren. |